



edelline Gastgeber Thomas Ulrich führt Sie im Juni und August dieses Jahres zu zwei faszinierenden Mini-Abenteuern: In die Eigernordwand und zu wunderschönen Naturereignissen. Der Abenteurer und Polarfahrer aus dem Berner Oberland stellt die beiden Reisen vor, spricht über seinen Todeskampf auf einer Eisscholle und verrät, worauf er nicht verzichten kann.
Auszüge aus dem Interview mit Thomas Ulrich gibt’s weiter unten als Video.
Wer bist Du?
Ich heisse Thomas Ulrich und wohne seit zehn Jahren im wunderschönen Beatenberg. Das Hochplateau über dem Thunersee bietet beste Voraussetzungen für mein Leben als Abenteurer. Aufgewachsen bin ich auf dem Bödeli in Interlaken.
Mit welchen fünf Worten würden Dich Deine drei erwachsenen Kinder beschreiben?
Sie würden mich wohl fünfmal als Spinner bezeichnen (lacht). Ich habe mir einen nicht alltäglichen Lebensweg ausgesucht, der unterschiedliche Facetten aufweist und den ich mit meiner Lebenspartnerin sowie meinen Kindern teile.
Dein grösstes Talent?
Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, lasse ich mich nicht mehr von diesem Vorhaben abbringen. Meine Expeditionen ziehe ich konsequent und beharrlich durch.
Deine grösste Schwäche?
Als Perfektionist stehe ich mir oft selbst im Weg. Schon lange möchte ich statt zu fotografieren, malen und zeichnen und meine Erlebnisse in Skizzen festhalten. Aber mein Qualitätsanspruch war bisher zu hoch.
Was ist Deine liebste Freizeitbeschäftigung?
Ich bin leidenschaftlicher Jäger, Imker und gerne in der Natur unterwegs. Lief ich früher oberflächlich durch die Welt, faszinieren mich heute die Zusammenhänge zwischen Natur und Mensch.
Hast Du ein Lieblingsbuch?
Eigentlich bin ich kein Bücherwurm, aber ein Buch habe ich sicher schon drei- bis viermal gelesen: den Seefahrerroman «Die Entdeckung der Langsamkeit» von Sten Nadolny. Dieses Buch nehme ich stets aufs Neue mit auf meine Reisen.
Worauf bist Du am meisten stolz?
Ich bin zufrieden mit meinem Lebensweg und stolz, viele meiner Vorhaben realisiert zu haben. Es ist ein Privileg, dass ich dies alles ausschöpfen und erleben konnte. Und natürlich bin ich stolz auf meine inzwischen erwachsenen Kinder, die ihren eigenen Weg gehen.
Worauf kannst Du nicht verzichten?
Auf meine Freiheit.
Wann hast Du das letzte Mal geweint – und warum?
Ich bin ein emotionaler und sensibler Mensch. Es gibt Momente, da bekomme ich Augenwasser – wie 2006, als ich während der Arctic-Solo-Expedition gefangen auf einem Stück Treibeis festsass und um mein Leben bangte.
Wovor hast Du am meisten Angst?
Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich Angst vor dem Tod habe. Aber ich frage mich schon ab und zu, wie ich einmal sterben werde – bei einem Autounfall, bei einem Abenteuer, beim Bergsteigen, nach einer schweren Krankheit. Am meisten Angst habe ich vor einer schweren Krankheit.
Dein letzter grosser Frust?
Im Moment ärgere ich mich über die Pseudo-Corona-Kritiker. Ich verstehe, dass gewisse Leute langsam an ihre Grenzen stossen. Aber ach Gott: Der Bundesrat versucht, das Beste aus dieser Situation zu machen. Allen recht machen kann es der Bundesrat ohnehin nicht. Vielen Menschen fehlt das Wissen, worum es bei der Coronakrise tatsächlich geht. Auf meinen vielen Expeditionen habe ich gelernt, dass es nicht immer nur aufwärtsgeht, sondern, dass man manchmal auch unten durch muss.
Welches Erlebnis hat Dein Leben nachhaltig geprägt?
Ich habe es erwähnt: Anlässlich meines Arctic-Solos 2006 kämpfte ich auf einer Eisscholle um mein Leben. Mit letzter Kraft schaffte ich es, den Notruf auszulösen. Ich war überzeugt, dass ich nie mehr nach Hause komme. Seither haben sich meine Gedanken und Meinungen nachhaltig verschoben.
Was gefällt Dir besonders gut an Deiner Berufung als Reisegastgeber?
Ich arbeite in verschiedenen Bereichen als Guide – ich bin Gleitschirm-Tandempilot, ich führe Expeditionen zum Nordpol und halte Referate sowie Vorträge. Es macht mir Spass, Menschen zu motivieren, ihr inneres Feuer zu entfachen.
Welches ist Dein Sehnsuchtsort – in der Schweiz und im Ausland?
Als heimatverbundener Mensch gefällt es mir im Berner Oberland am besten. Im Ausland ist es Patagonien, der Ursprung meiner Abenteurer-Laufbahn. Im Alter von 20 Jahren habe ich gemeinsam mit drei Kollegen meine erste Expedition organisiert – die Besteigung des markanten Granitbergs Fitz Roy in den argentinisch-chilenischen Anden. Schon die stundenlange und komplizierte Anreise mit Flugzeugen, Bussen auf Schotterstrassen und Packpferden war ein Abenteuer.
Wenn Du wüsstest, dass morgen die Welt unterginge, was würdest Du noch tun?
Abwarten und zuschauen, wie alles den Bach runter geht (lacht).
Wie kam es dazu, dass Du als Gastgeber mit edelline die beiden Abenteuerreisen in die Eigernordwand und nach Rigi Kaltbad/Interlaken organisiert hast?
Zu Beginn der Corona-Pandemie rief mich Thomas Wälti vom Reiseunternehmen edelline an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm zusammen zwei Abenteuerreisen zu entwickeln. Ich fand diese Anfrage spannend und sagte gerne zu.
Wie wichtig für Deine Zusage als Gastgeber ist die Tatsache gewesen, dass diese Reisen in der Schweiz stattfinden?
Sehr wichtig! Im Ausland wäre ich als Reiseexperte wohl nur in Patagonien oder am Nordpol in Frage gekommen (schmunzelt). Deshalb bin ich glücklich, dass die Abenteuerreisen an Orten in der Schweiz stattfinden, zu denen ich einen starken Bezug habe.
Was möchtest Du unseren Gästen auf diesen Reisen vermitteln?
Befinden sich viele markante Wände weit weg von der Zivilisation, ist die Eigernordwand von der Kleinen Scheidegg aus zum Greifen nah und infolgedessen ein Touristenmagnet. In der Wand wähnt sich der Bergsteiger in einem Amphitheater. Unten wuseln Menschen umher und beobachten mit dem Feldstecher den Gipfelsturm, oben erfordert die exponierte Kletterei höchste Konzentration. Diese Parallelwelt fasziniert mich.
Bei der anderen Reise möchte ich die edelline Gäste für die Natur sensibilisieren und ihnen zeigen, wie man sich rücksichtsvoll verhält.
Welche Höhepunkte warten beim Eigernordwand-Abenteuer auf unsere Gäste?
Die Eigernordwand ist eine Legende. Am Stollenloch 3.8 legt die Jungfraubahn exklusiv für die edelline Gäste einen Sonderhalt ein. Wenn wir aussteigen und durch eine Nottür ins Freie treten, pfeift uns der Wind um die Ohren. Das ist schon beeindruckend. Ich hoffe, dass sich die Gäste auch an meinen Geschichten erfreuen – ich habe die 1800 Meter hohe, fast senkrechte und berühmt-berüchtigte Eigernordwand fünfmal auf der Originalroute durchstiegen und in der Wand der Wände viel erlebt.
Welche Höhepunkte warten beim Abenteuer in Rigi Kaltbad/Interlaken auf unsere Gäste?
Auf dieser Reise können wir in der Natur Demut und Ehrfurcht zeigen. Während der Coronakrise sind neue Probleme zum Vorschein gekommen – Littering, zum Beispiel. Wer in der Natur unterwegs ist und nicht kapiert, dass er den Abfall nicht liegenlassen darf, dem ist nicht mehr zu helfen. Auf der Lombachalp werden unsere Gäste von einem Ranger viel über die Natur erfahren. Dieser Outdoor-Lifestyle erinnert mich an meine Kindheit. Als 14-Jähriger absolvierte ich auf der Lombachalp meine ersten Mini-Abenteuer. Ich rückte etwa mit einem Cervelat und einem einzigen Zündholz aus. Ich hatte also nur einen Versuch, ein Feuer zu entfachen, um eine feine, gebrätelte Wurst zu essen. Auch die Nacht im Zeltcamp oberhalb des Vierwaldstättersees wird unsere Sinne schärfen. Empfehlen kann ich auch den Gleitschirm-Tandemflug von Beatenberg nach Interlaken. Die Welt von oben zu sehen, ist eine intensive Erfahrung.
Müssen die Teilnehmer*innen spezielle Vorkenntnisse mitbringen?
Nein. Einzig beim Gleitschirmfliegen gibt es eine Einschränkung. Das maximale Gewicht beträgt 100 Kilogramm.
Was dürfen die Gäste beim Kofferpacken auf keinen Fall vergessen?
Er passt zwar nicht in einen Koffer, aber unsere Gäste sollten mit einem leeren Kopf anreisen. Damit sie all die faszinierenden Eindrücke aufnehmen und einordnen können.
Interview: Thomas Wälti
Thomas Ulrich wurde am 16. November 1967 geboren. Er ist gelernter Zimmermann. Die Eigernordwand kennt der diplomierte Bergführer und Gleitschirm-Tandem-Pilot wie seinen Hosensack. Er hat sie mehrmals durchstiegen. Später entdeckte Thomas Ulrich seine Leidenschaft für die Arktis. Heute führt er Gäste zum Nordpol, durch Grönland und nach Südgeorgien.
Thomas Ulrich ist auch ein überzeugender Motivationsredner. Ob bei Mercedes-Benz, Credit Suisse oder am Schweizer Polizei-Informatik-Kongress – der Polarfahrer kann Menschen in seinen Bann ziehen.
Thomas Ulrich ist Vater von drei erwachsenen Töchtern. Er lebt in Beatenberg.
Aktuell sind keine Reisen mit Thomas Ulrich geplant.
Bilder: Thomas Ulrich, Visual Impact