Regula Rytz

Klimaschützerin und Vordenkerin

«Die Welt ist voller Lösungen»

Der Klimawandel bereitet Regula Rytz grosse Sorgen. Deshalb hat sie als edelline Gastgeberin zwei Entdeckungsreisen zu Orten der Veränderung ausgetüftelt. Die ehemalige Präsidentin der Grünen Partei Schweiz führt uns zu den progressiven Ideen, die wir brauchen, um den globalen ökologischen Kollaps zu verhindern. Die engagierte Nationalrätin spricht auch über ihre Emotionen, ein Trekking im Himalaya und die Höhepunkte der beiden Bildungsreisen.


Auszüge aus dem Interview mit Regula Rytz gibt's weiter unten als Video.

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Wer bist Du?
Ich bin 60 Jahre alt, Nationalrätin und ein optimistischer Mensch.

Mit welchen fünf Worten würde Dich Deine Familie beschreiben?
Zuverlässig, offen, verbindlich, neugierig und konsequent.

Dein grösstes Talent?
Menschen zu vernetzen.

Deine grösste Schwäche?
Während eines Tages zu viele Termine zu vereinbaren.

Was ist Deine liebste Freizeitbeschäftigung?
Wandern, die Natur geniessen, den Horizont erweitern.

Hast Du ein Lieblingsbuch?
Nein. Für mich hält jede Lebensphase neue Lieblingsbücher bereit. Gegenwärtig fesselt mich der Roman «Die Marschallin» von Zora del Buono. Die Schweizer Schriftstellerin beschäftigt sich mit ihrer Familiengeschichte, die sich zwischen zwei Weltkriegen in Slowenien und Italien abspielt.

Welches ist Dein Lieblingslied und was bedeutet es Dir?
Auch diese Frage kann ich nicht eindeutig beantworten. Je nach Stimmung höre ich unterschiedliche Musikrichtungen. Klassische Musik mag ich ganz besonders. Mein Lieblingskomponist ist Franz Schubert.

Worauf bist Du am meisten stolz?
Auf den historischen Wahlerfolg der Grünen Partei Schweiz 2019. Acht Jahre zuvor übernahm ich diese Partei als Präsidentin. Wir haben es in einer schwierigen Zeit geschafft, die Umweltfrage – die grosse Herausforderung unserer Zeit – zuoberst auf die politische Agenda zu setzen. Viel Rückenwind hatten wir dabei von der Klimajugend, die für ihre Zukunft kämpft.

Worauf kannst Du nicht verzichten?
Oh, auf vieles (lacht). Zum Beispiel auf einen köstlichen Kaffee (Regula Rytz trinkt einen Schluck).  

Wann hast Du das letzte Mal geweint – und warum?
Ui, ich erinnere mich nicht mehr genau. Ich leide mit, wenn es anderen Menschen schlecht geht. Sehr berührt hat mich die sechsteilige SRF-Serie «Frieden». Das Schicksal der «Buchenwaldkinder», die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz kamen, ist mir sehr nahe gegangen. Mich wühlt die Frage auf, weshalb Kaltherzigkeit und Antisemitismus in der Schweiz derart präsent waren. Die Vorstellung, dass ein Teil der Bevölkerung und der Wirtschaft bewusst auf Kosten anderer profitierte, erschüttert mich.

Wovor hast Du am meisten Angst?
Dass wir es nicht mehr rechtzeitig schaffen, die Übernutzung der natürlichen Ressourcen so weit zu reduzieren, dass auch die nächste Generation noch ein freies Leben führen kann.

Dein letzter grosser Frust?
Zuletzt geärgert habe ich mich im Parlament. Wir setzten uns für die Unternehmen in der Eventbranche ein, zogen überparteilich die Fäden und forderten eine finanzielle Risikoabsicherung. Wir haben auch eine sehr gute Lösung gefunden. Allein: Der Ständerat verkomplizierte die Finanzhilfe derart, dass sie wohl ein Papiertiger bleibt. Eine grosse Chance wurde verpasst. Das ist ärgerlich.

Welches Erlebnis hat Dein Leben nachhaltig geprägt?
Die Atomkatastrophe in Fukushima. Sie hat mir gezeigt, dass der Mensch mit den Naturgesetzen nicht verhandeln kann. Wenn es uns nicht gelingt, die naturunverträglichen Grosstechnologien zu ersetzen, unseren Hunger nach Energie und Konsum zu reduzieren und unseren wirtschaftlichen Wohlstand von Naturzerstörung zu entkoppeln, mache ich mir ernsthaft Sorgen. So kann es nicht weitergehen. Wir haben nur einen Planeten.

Was gefällt Dir besonders gut an Deiner Berufung als Reisegastgeberin?
Mir gefällt es, Wissen und Kontakte weiterzugeben. Aufgrund meiner politischen Tätigkeit kenne ich in der Schweiz sehr viele Menschen und Unternehmen, die sich bemühen, progressiv, sprich im Einklang mit der Natur, zu wirtschaften. Diese Pioniere und ihre wertvolle Arbeit möchte ich unseren Gästen auf den beiden Entdeckungsreisen näherbringen. Ich freue mich auf angeregte Diskussionen – einerlei, ob im Einklang oder kontrovers. Der Dialog erweitert den Horizont.

Welches ist Deine bisher emotionalste Reise gewesen?
Als 18-Jährige unternahm ich eine Bildungsreise mit der UNICEF nach Polen. Schon nur die Bahnreise durch die damalige Tschechoslowakei war ein Erlebnis. Und der Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz, verbunden mit der Aufarbeitung dieses unfassbaren Leides, hat mich nachhaltig geprägt. Ich stand vor der Sinnfrage: Will ich für andere Menschen da sein oder ist es mir gleichgültig, was mit den anderen passiert? Ich habe die Antwort schnell gefunden: Ich möchte meinen Beitrag dafür leisten, dass sich Menschen gegenseitig respektieren und in Frieden leben. Egal, wo sie herkommen, egal, wer sie sind.

Hast Du ein schlimmes Reiseerlebnis erlebt?
Glücklicherweise ist dieser Fall nicht eingetroffen. Bis heute bin ich erst fünfmal in ein Flugzeug gestiegen. Als Jetsetterin würde ich mich nicht gerade bezeichnen (schmunzelt). Ich bin naturnah unterwegs, fahre Zug oder Velo. Ein prägendes Erlebnis kann ich aber schon erzählen: Als Teenager reiste ich einmal mit dem Schiff nach Tunesien. Dort fühlte ich mich als junge, urbane Frau mit kurzen Haaren und weisser Hautfarbe komplett fehl am Platz. Dieses Gefühl von Fremdsein in einer Gesellschaft hatte etwas Beängstigendes. So muss es vielen Menschen ergehen, die heute aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen in die Schweiz kommen.

Welches ist Dein Sehnsuchtsort – in der Schweiz und im Ausland?
Ich halte mich sehr gerne im Tessin auf. In den wilden Bergen oberhalb des Maggia- oder Verzascatals kann man stunden-, ja tagelang wandern, ohne irgendjemandem zu begegnen – ausser vielleicht einer Gämse, einem Salamander oder Fröschen. In dieser Landschaft unterwegs zu sein gibt mir das Gefühl von persönlicher Freiheit. Mein Sehnsuchtsort im Ausland ist Berlin. Ich mag Städtereisen, mich interessiert das urbane Leben an anderen Orten. Mein Lebenspartner und ich haben kürzlich diskutiert, ob wir nochmals nach Nepal reisen. Er hat dort als Kind gelebt und viele Freunde gefunden. Diese wunderbaren Menschen nochmals zu treffen, wäre ein Grund, so weit zu reisen und das sechste Mal in ein Flugzeug zu steigen. Reizvoll bei dieser Gelegenheit wäre ein Trekking im Himalaya. Aber noch ist alles offen.

Wenn Du wüsstest, dass morgen die Welt unterginge, was würdest Du noch tun?
Meine Eltern besuchen und mit meiner Familie zusammen sein.

Wie kam es dazu, dass Du als Gastgeberin mit edelline im Juni und September 2021 die beiden Entdeckungsreisen organisierst?
Wie edelline bin ich im Frühling 2020 von der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft überrascht worden. Existenzen wurden in Frage gestellt, Unternehmen standen vor gigantischen Herausforderungen, unser Reiseverhalten hat sich fundamental verändert. Als mich Euer Leiter Kommunikation/PR, Thomas Wälti, anfragte, ob ich mithelfen würde, neue, lokale Reiseangebote zu kreieren, ist der Moment gekommen, als grüne Politikerin Farbe zu bekennen. Ich wollte mich nicht nur politisch für die wirtschaftliche Unterstützung von Unternehmen einsetzen und damit Arbeitsplätze retten und Konkurse verhindern. Nein, mir war auch wichtig, dass ein Unternehmen, das offen ist für neue Reiseformen, Gehör findet. edelline gibt uns nun die Chance, Schweizer Pioniergeist zu entdecken.

Mit zwei aussergewöhnlichen Reisen, die vor der Haustür stattfinden.
Genau. In den 1980er Jahren entstanden überall «Grabe, wo du stehst»-Angebote, die viele Menschen veranlasste, ihre lokale und persönliche Geschichte zu erforschen. Als Historikerin interessiert mich nicht nur die grosse Weltgeschichte, sondern auch das, was vor der Haustür passiert. Deshalb finde ich es faszinierend, Entdeckungsreisen in der Nähe zu organisieren. Abgesehen davon ist es befriedigend, für ein solides Unternehmen in der Region Bern eine Post-Corona-Perspektive zu schaffen.

Wie wichtig für Deine Zusage als Gastgeberin ist die Tatsache gewesen, dass diese Reise in der Schweiz stattfindet?
Sehr wichtig. Wir können es uns wegen der Folgen für die Umwelt nicht mehr leisten, 3- bis 5-mal pro Jahr in die Ferien zu jetten. Das ist kein nachhaltiges Reiseverhalten. Bald stimmen wir über das neue CO₂-Gesetz ab, das die Einführung einer Flugticketabgabe vorsieht. Das ist ein erster Schritt. Gerade in diesen schwierigen Pandemiezeiten kann ich verstehen, dass Menschen das Bedürfnis haben, aus dem Alltag auszubrechen, neue Orte kennenzulernen, in andere Welten einzutauchen. Diese Sehnsucht habe ich auch. Die Schweiz bietet mit ihrer unglaublichen Vielfalt und Schönheit eine echte Alternative zu einem Round-The-World-Ticket. Wir müssen uns mit der Zukunft unseres Landes auseinandersetzen. Deshalb ist es wichtig, dass es solche Entdeckungsreisen gibt.

Wird sich unser Reiseverhalten verändern?
Ich denke, dass wir in Zukunft seltener in die Ferne reisen. Und wenn wir eine Fernreise machen, dürfte diese länger ausfallen. Sodass Zeit bleibt, ein Land nicht nur am Rand zu streifen, sondern sich intensiver mit ihm zu beschäftigen.

Was möchtest Du unseren Gästen auf diesen Reisen vermitteln?
Dass die Welt voller Lösungen ist! Wir stossen in vielen Bereichen an Grenzen: Artensterben, Umweltbelastung, globale Erwärmung. In diesen bedrohlichen Zeiten braucht es Menschen, die vorleben, wie wir die nötigen Veränderungen positiv gestalten können. In der Schweiz gibt es viele solcher Pioniere. Sie stehen normalerweise nicht im Rampenlicht, sondern setzen die nötigen Schritte in die Praxis um. Und genau solche Menschen möchte ich unseren Gästen auf den beiden Reisen vorstellen.

Welche Höhepunkte warten auf der ersten Reise auf unsere Gäste?
Wir werden verschiedene Bereiche kennenlernen, wo grosser Handlungsbedarf besteht. Etwa in der Landwirtschaft, die heute derart intensiv betrieben wird, dass sie die Natur und damit die Biodiversität gefährdet. 60 Prozent der Brutvogelarten sind aus den Ackergebieten verschwunden, der Insektenbestand nimmt massiv ab. Das bedeutet: Die Nahrungskette ist gefährdet. Deshalb suchen Bäuerinnen und Bauern neue Formen der Landwirtschaft. Die Permakultur-Methode ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür: Das neue, innovative Konzept versucht, die Ernährung von uns allen zu sichern. Nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig – im Einklang mit der Natur.

Kannst Du einen anderen Bereich erwähnen?
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kreislaufwirtschaft. Wir besuchen das Unternehmen Freitag, das Taschenunikate aus rezyklierten LKW-Planen herstellt. Auch das Thema Elektromobilität wird uns beschäftigen. Wenn wir die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen, müssen wir die Nutzung fossiler Energieträger stoppen. E-Bikes leisten einen bedeutenden Beitrag zu einer umweltschonenden Mobilität. Deshalb schauen wir bei der Firma Thömus AG rein.

Auf das Treffen mit Solarpionier Josef Jenni freue ich mich besonders. Er ist ein so weitsichtiger, humorvoller Mensch und seit vielen Jahren im Geschäft. Er hat Pionierarbeit beim Einsatz von Solarwärme geleistet. Viele Immobilien werden mit Jenni-Technik ressourcenschonend geheizt. Bei ihm brennt das Feuer der Leidenschaft immer noch. Ich frage mich: Warum haben nicht mehr Menschen diese Passion? Warum entscheiden sich nicht mehr Menschen, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen?

Welche Höhepunkte warten auf der zweiten Reise auf unsere Gäste?
Auf der zweiten Reise werden wir neben Unternehmerinnen auch Wissensvermittler treffen. Die Orientierung fällt mitunter schwer, wenn es um neue Produkte, Dienstleistungen und Angebote geht, die ein umweltverträgliches Leben ermöglichen. Die Umwelt Arena Schweiz bringt uns mit einer Palette von smarten Lösungen auf den neuesten Stand.

Horizonterweiternd ist auch die Exkursion auf den Mont-Soleil, wo wir im Bereich der Sonnen- und Windenergie erfahren, wie erneuerbare Energien gewonnen werden. Wir besuchen ein Windkraftwerk und wollen Ängste abbauen. Nicht die Windenergie ist ein Schreckgespenst. Sondern die fossilen Energien. Der Erdölabbau zerstört nicht nur ganze Landstriche, sondern führt auch zu Tankerunglücken. Ausfliessendes Öl verseucht in der Folge ganze Küstengebiete. Eine Umweltkatastrophe ist dann nicht mehr zu verhindern.

Was schärft auf dieser Reise sonst noch unsere Sinne?
Wir werden eingeladen, uns Gedanken über die Ernährung zu machen. Unser Fleischkonsum hat erheblichen Einfluss auf die Ökologie. Es gibt gesunde Alternativen zu tierischen Produkten. Naturnah, umweltfreundlich und nachhaltig zu leben heisst nicht, auf alles zu verzichten, sondern eine andere Form von Genuss kennenzulernen. Ich freue mich sehr auf diese Reise und hoffe, dass wir etwas Bleibendes geschaffen haben.

Was wird die Teilnehmer*innen auf beiden Reisen am meisten überraschen?
Unsere Gäste wird es überraschen, wenn sie erfahren, wie weit wir heute schon sind und welche raffinierten Möglichkeiten es bereits gibt, etwas für die Umwelt zu tun. Als Konsumentinnen und Konsumenten haben wir es in der Hand, die Pioniere der Wirtschaft zu unterstützen und die ökologische, soziale und offene Schweiz voranzubringen.

Müssen die Teilnehmer*innen spezielle Vorkenntnisse mitbringen?
Neugier.

Was dürfen die Gäste beim Kofferpacken auf keinen Fall vergessen?
Was unsere Gäste mitbringen sollten, passt in keinen Koffer: Herz und Verstand. Sie sollten sich auf die Pioniere der Veränderung einlassen und ihnen unvoreingenommen, aber durchaus kritisch, begegnen. Als Gastgeberin wünsche ich mir offene und lebhafte Diskussionen über Ängste, Sorgen und Hoffnungen. Wir können alle voneinander lernen – und mit Zuversicht die Zukunft unseres Landes gestalten.

Interview: Thomas Wälti

 

 

Polit-Schwergewicht und Bundesrats-Kandidatin

Regula Rytz wurde am 2. März 1962 in Thun geboren. Die Historikerin und ausgebildete Lehrerin blickt auf eine bemerkenswerte Politkarriere zurück. 2011 wurde die Bernerin in den Nationalrat gewählt, aktuell ist sie Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK).

Von 2016 bis 2020 war Regula Rytz Präsidentin der Grünen Partei Schweiz, vorher (2012 bis 2016) hatte sie gemeinsam mit Adèle Thorens das Co-Präsidium inne. Als politischen Höhepunkt kann Regula Rytz’ historischer Wahlerfolg am 20. Oktober 2019 bezeichnet werden. Noch nie zuvor hat in der Schweiz eine Partei so deutlich zugelegt wie die Grünen – es war die grösste Verschiebung seit Einführung des Proporzwahlrechts 1919.

Am 11. Dezember 2019 kandidierte Regula Rytz für den Bundesrat. Das Parlament war jedoch nicht bereit, den Sitz des bisherigen FDP-Bundesrats Ignazio Cassis neu zu besetzen. Die bisher erfolgreichste Bundesratskandidatin der Grünen erhielt 82 Stimmen.

Regula Rytz war von 2005 bis 2012 Gemeinderätin (Exekutive) der Stadt Bern und Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün. Ihre Wiederwahl schaffte sie im November 2018 mit dem besten Resultat aller Gewählten. Unter ihrer Führung wurden Grossprojekte wie der Umbau des Bahnhofplatzes oder das Bauprojekt Tram Bern West umgesetzt.

Regula Rytz lebt mit ihrem Partner im Berner Breitenrainquartier. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Literatur, Musik, Kino, Bergwandern und Joggen.

www.regularytz.ch

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Impressionen von Regula Rytz

Quelle: ZVG