Wein pur beim Wein-Buur
Der Blick aus dem Panoramafenster des Edelliner ist atemberaubend und entschädigt für die sehr frühe Tagwacht. Die flammende Morgendämmerung erhellt den Himmel über dem Oberaargau. Eine solch wunderbare Aussicht geniessen Gipfelstürmer gewöhnlich auf dem Niesen, Säntis oder Pilatus. Die edelline Gäste sitzen entspannt im luxuriösen Bordbistro und geniessen ein erfrischendes Frühstück. Vorfreude herrscht! Der Tagesausflug führt die Hobby-Önologen zu drei renommierten Weingütern im Bündner- und Sarganserland.
Crashkurs im Bordbistro
Mit an Bord ist auch der Schweizer Weinexperte Michel Gygax. Der Berner Gastronom begleitet die Gesellschaft auf dieser Genuss-Reise und bringt ihr die Schweizer Weinkultur näher. In einem Crashkurs weiht uns der sympathische YB-Fan in die Geheimnisse der Önologie ein. Gygax referiert über Terroir und Traubensorten, Winzerphilosophien sowie Weinarten und Weinbereitung. Der Charakter des Weins werde je zu einem Drittel durch das Terroir, den Winzer und dessen Philosophie sowie die Traubensorten bestimmt. Ein paar Kilometer später stellt uns Gygax die Bündner Herrschaft vor, die wir gerade ansteuern. Die sonnenverwöhnte Region mit den Gemeinden Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans gehört zusammen mit den Bündner Gemeinden Trimmis und Zizers zu den bedeutendsten Weinbaugebieten der Schweiz. Mit diesem Halbwissen spazieren wir zum Weingut von Philipp Grendelmeier. Es befindet sich im Tschalär bei Zizers.
Philipp Grendelmeier: Winzer mit Herz
Der Tag beginnt gut. Philipp Grendelmeier entkorkt einen Perla Rosa, seinen neuen Schaumwein. Gemeinsam mit dem Team hegt und pflegt der Patron auf über sechs Hektaren Rebfläche zehn verschiedene Traubensorten. Das sonnige und überwiegend trockene Klima sowie die Gebirgsnähe und der häufige Föhn sind die Ingredienzen für das Herstellen von Qualitätsweinen mit einzigartigem Charakter. «Meine Weine sind wie ich: herzhaft und authentisch», sagt Philipp Grendelmeier. Der gebürtige Zürcher bezeichnet sich als «Rebell», der seine Meinung jeweils klipp und klar zum Ausdruck bringt. Seit 1993 arbeitet er in den Rebbergen. «Als Winzer tätig zu sein, ist meine Lebensform. Beruf und Freizeit trenne ich nicht voneinander.» Immer wieder entwickelt er neue Kreationen. «Habt Mut zum Wein und probiert ihn aus. Lasst Euch nicht vorschreiben, welchen Wein Ihr zu mögen habt», sagt der Rockmusikfan mit dem ansteckenden Lachen.
Interessant sind Philipp Grendelmeiers Ausführungen zum Thema Schädlingsbekämpfung. Eloquent erklärt er, wie er sich mit verschiedenen Abwehrmassnahmen gegen Mehltau und die Kirschessigfliege schützt. Das aus Japan eingeschleppte Insekt sei eine Folge der Globalisierung, meint er. Dann füllt er die Gläser – der frische Riesling Sylvaner, eine Kreuzung zweier Traubensorten, schmeckt köstlich. Vor der nächsten Weinverkostung philosophiert Philipp Grendelmeier über die Zukunft des Winzerberufs. «Trinken die jungen Leute in 30 Jahren noch Schweizer Wein?», fragt er in die Runde. Ohne die Antwort abzuwarten, führt er die Besucher durch seinen Betrieb. Im Laden staunen die edelline Gäste über weitere Produkte des Hausherrn: Schnäpse, Konfitüren, Fruchtsäfte, Balsamico, Nuss- und Olivenöle sowie Honig stehen schön aufgereiht in den Regalen. An der Kasse bildet sich eine Schlange. Der Autor kauft zwei Flaschen Chardonnay. Im Preis inbegriffen sind Emotionen, die in keinem Warenhaus angeboten werden.
Hanspeter Lampert: Er gibt den Ton an – im Weingut und in der Musikgesellschaft
Der Edelliner führt die Gäste zum Weingut Heidelberg ins malerische Maienfeld, wo Hanspeter Lampert unter der von Reben überwachsenen Pergola das Mittagessen serviert. Es gibt den Klassiker des Hauses: Fleischkäse mit Kartoffelsalat. Eine charmante Winzerin aus Kalifornien führt kundig durchs Programm und füllt die Gläser mit klassischem Bündner Pinot Noir. Zum Abschluss der Degustation geniessen wir eine der 600 Flaschen von Lampert’s Jubiläumswein. Fünf Jahre ist der edle Tropfen im Barrique gelegen. Dann huscht Hanspeter Lampert weg – in Maienfeld ist Festzeit, die Musikgesellschaft wartet auf ihren Euphonium-Spieler.
Marco Casanova: Ferienfeeling über dem Walensee
Im Edelliner geht es bequem nach Walenstadt, wo das dritte Weingut auf uns wartet. Der viertelstündige Fussmarsch entlang des Walensees zu den Rebbergen von Marco und Eleni Casanova-Meyer weckt mitten im September mediterrane Gefühle. Die Lieblichkeit dieser Gegend am Fuss der Churfirsten überrascht – viele Automobilisten sind jeweils froh, wenn sie auf ihrem Weg in die Ferien den «Qualensee» möglichst schnell passiert haben. Die Gastgeber bereiten uns im Rebberg Kaliforni, dessen Name aus Kali (Kalk) und forni (Ofen) abgeleitet ist, einen herzlichen Empfang.
Das Unternehmen des Schweizer Biowinzers des Jahres 2017, das auf der Vinum-Liste der 150 besten Schweizer Weingüter steht, heisst CasaNova WeinPur. «Ich bin Weinbauer und meine Philosophie ist Wein pur», sagt Marco Casanova wortgewandt. Er produziert biodynamisch. Das heisst, er lässt auf die biologische Produktion zusätzlich kosmische Einflüsse einwirken. So beeinflussen Planetenpositionen und Mondkalender die Arbeit im Rebberg und Keller. Je nach Konstellation wird geschnitten oder abgefüllt. Auch Pflanzen und Tiere sind in diesen Prozess eingebunden. «Aber letztlich entscheidet mein Bauchgefühl», sagt Marco Casanova. Den Mehraufwand gegenüber der herkömmlichen Produktion schätzt er auf etwa 20 Prozent. Aber er hofft, diesen zusätzlichen Aufwand mit der Zeit reduzieren zu können. Marco Casanova plädiert für eine Umkehr des Systems. Statt biologische und biodynamische Produkte zertifizieren zu lassen, sollten die nichtbiologischen Produkte mit einem Gütesiegel versehen werden – allein schon aus Kostengründen und Ehrlichkeit gegenüber den Kunden.
Marco Casanova bringt einen Sauvignon Blanc auf den Tisch. Seine Lebenspartnerin serviert grossartige Kreationen aus der Küche: Eglifilets aus dem Walensee mit Linsensalat, Capuns mit Chorizo, Steinpilzen, Eierschwämmen und Olivenöl sowie Patatas bravas mit der kanarischen Würzsauce Mojo verde.
In einem mitreissenden Vortrag erzählt Marco Casanova, wie der verheerende Frost vor zwei Jahren 70 Prozent seiner gesamten Ernte vernichtet habe. «Mich hat die Solidarität, die mir von vielen Winzern entgegengebracht wurde, ebenso tief berührt wie das rücksichtsvolle Verhalten meiner Kunden, die auf unseren Kuckuckswein eingegangen sind», sagt der Gastgeber.
Begeisterte edelline Gäste auf der Rückfahrt
Auf der Rückfahrt zaubert die Abendsonne fantastische Bilder an den Himmel. «Ich geniesse die angenehme Art zu reisen und bin dankbar für die gute Betreuung während des inspirierenden Ausfluges», sagt Alice Hauser. Die vitale Luzernerin lobt das reichhaltige, aber nie stressige Tagesprogramm. Der Berner Rechtsanwalt Walter Rumpf legt den Fokus auf die Winzer: «Sie üben ihren Beruf mit grosser Leidenschaft und Herzblut aus. Ich habe viel von ihnen gelernt.» Die Weissweine hätten ihn überzeugt. «Beim von mir wenig geliebten Pinot Noir habe ich die eine und andere positive Überraschung erlebt. Aber ich bleibe mein eigener Experte», sagt Walter Rumpf. Um anzufügen: «Ich habe den Gaumen und die Achtsamkeit geschult und bin in ein wichtiges Stück Schweizer Kultur eingetaucht.»
Für Daniel Derron hat sich der Ausflug in die Ostschweizer Weingüter ebenfalls gelohnt: «Ich konnte wirklich sehr vieles über das Winzer-Handwerk lernen. Es ist ein bunter Mix – ein Weinbauer würde wohl von einem Cuvée sprechen – aus harter Arbeit, Detailversessenheit, persönlicher Philosophie und ganz viel Liebe und Leidenschaft für den Weinbau.» Der SAP-Consultant aus Hasle bei Burgdorf ist dankbar dafür, dass edelline diesen Tagesausflug anbietet. «Organisation, Betreuung und die Vermittlung von Wissen waren hervorragend», sagt der Berner. Und fügt an: «Wie unterschiedlich und vielfältig es sein kann, in einer Region mit der gleichen Traubensorte Wein zu produzieren, haben wir auf dieser Reise auf eindrückliche Art gezeigt bekommen. Die einzige Konstante der drei Weinbauern war ihre Gastfreundschaft und Bereitschaft, Auskunft über ihre Passion zu geben. Das war sehr schön», sagt Daniel Derron.
Walter Rumpf freut sich, als er das Entkorken von Flaschen, das Klirren von Gläsern und das Gelächter von gut gelaunten Menschen vernimmt. «Das nenne ich Lebensqualität. Der Tagesausflug mit edelline zu den drei Weingütern in der Ostschweiz bietet ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich kann diese Reise sehr empfehlen.»
Autor: Thomas Wälti