Zwischen Hundschopf, Himmelreich und Hölle

Wanderreise «Auf den Spuren der vier Ski-Klassiker» 

Bruno Kernen, Marco Büchel, Hans Knauss, Michael von Grünigen und Gastgeber Bernhard Schär haben die edelline-Wandergruppe im Sommer in die Geheimnisse des alpinen Skirennsports eingeführt. Auf den Weltcupstrecken in Wengen, Garmisch-Partenkirchen, Kitzbühel und Alta Badia hinterliessen unsere sportlichen Gäste ihre eigenen Spuren, wie ein Augenschein vor Ort zeigt.


Ab 1000 Höhenmetern duzt man sich, heisst es in den Bergen. Die 17 Edelliner sind an diesem Sonntagnachmittag weniger formell und verzichten schon im Reisebus aufs Siezen. Die Vorfreude steigt, als die sportliche Wandergruppe in Lauterbrunnen in die Wengernalpbahn (WAB) steigt. 

Während der nostalgischen Bahnfahrt hinauf ins 1300 Meter hoch gelegene und autofreie Wengen erhaschen die edelline-Ausflügler einen ersten Blick auf die weltberühmte Lauberhorn-Abfahrt – mit knapp 4,5 Kilometern ist sie die längste Strecke im alpinen Ski-Weltcup.

Am Abend heisst es dann Bühne frei für Radiolegende Bernhard «Berni» Schär. Auf der Terrasse des Hotels Arenas Resort Victoria-Lauberhorn stellt der edelline-Gastgeber in seiner gewohnt launigen Art den ersten Ski-Weltmeister vor: Bruno Kernen, Lauberhornsieger von 2003. Wir stossen auf eine erlebnisreiche Wanderreise an.


Auf der Titelseite einer Tageszeitung

Am Montagmorgen ruckelt die Zahnradbahn auf die Kleine Scheidegg. In der WAB sitzt auch Bruno Petroni. Der bekannte Reporter der lokalen Tageszeitung «Berner Oberländer» begleitet die Wanderfreund*innen auf dem Lauberhorn-Trail. Er wird dafür sorgen, dass es die Wanderreise «Auf den Spuren der vier Ski-Klassiker» auf die Titelseite der Regionalausgabe schafft. Grosses Kino!

Im Zug erzählt Bruno Kernen die erste Anekdote: «Einmal wollte Hermann Maier ohne Fahrkarte hochfahren. Er zeigte dem Kondukteur bloss seine Startnummer. Der pflichtbewusste Kontrolleur ging nicht darauf ein – Regeln sind Regeln.» Später schildert Kernen, wie er am Renntag in der WAB jeweils verstohlen die Zeitungsschlagzeilen las und deswegen zusätzlichen Druck spürte. «Besiegt er seinen Lauberhorn-Fluch?» oder «Gibt es wieder ein Debakel?», lauteten häufig gestellte Fragen.
 

Bruno Kernen und Berni Schär
Im Fokus: Bruno Kernen begrüsst die edelline-Gäste auf der Kleinen Scheidegg. Bernhard Schär (rechts) hört aufmerksam zu. Reporter Bruno Petroni hält den Moment fest.

Kopfkino im Lauberhorn-Starthaus

Nach einer guten halben Stunde erreichen wir bei sonnigem Wetter das Starthaus auf der Lauberhornschulter. Bei der Start-Bar erzählt Bruno Kernen aus seinem Skirennfahrerleben. Der 49 Jahre alte Reutiger referiert mit gestenreichen Worten über mentale Stärke und Sportpsychologie. Denken mache langsam, sei ihm in sportlich schwierigen Zeiten eingebläut worden. Rhetorisch fragt der Abfahrts-Weltmeister von 1997: «Wenn ich denke, dass ich nichts denken soll, dann denke ich ja.» Mit der richtigen Atemtechnik sei es ihm gelungen, den eigenen Denkprozess auszuschalten, die Zweifel zu vertreiben und auf diese Weise schnell zu sein. Fortan habe er im Starthaus die grandiose Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau wieder genossen und nicht mehr an die kritischen Medienvertreter unten im Ziel gedacht.

So langsam schleicht Nebel über die Schlüsselstellen der Lauberhorn-Abfahrt. Beim berühmt-berüchtigten Hundschopf ist Bruno Kernen ebenso ein begehrter Mann wie Bernhard Schär. Selfies werden gemacht, Fragen gestellt, kurz: Die edelline-Wandergruppe geniesst das unvergessliche Erlebnis mit dem gut aufgelegten Skistar und dem eloquenten und bestens informierten Sportreporter. 

Bruno Kernen und Wandergäste
Im Nebel: Bruno Kernen erklärt auf dem Lauberhorn-Trail die Ideallinie.

Büchelklänge im dichten Nebel

Auf einmal durchdringen Büchelklänge den dichten Nebel. Adolf Zobrist bläst in sein alphornartiges Instrument, das in diesem Moment wie ein Signalhorn ertönt. Der Brienzer wird uns mit heimatlichen Klängen auf jeder Wanderung mehrmals verzücken. Als wir beim Kernen-S vor der Infotafel stehen, beginnt es zu regnen. Wir brechen die Wanderung ab und marschieren zur nahe gelegenen Station Wengernalp. 

In Wengen verabschieden wir uns von Bruno Kernen, der auf dieser Reise einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Dann geht es bereits weiter: In Lauterbrunnen wartet schon Istvan Müller auf uns. Der Buschauffeur führt uns an der Seite der charmanten Reisebegleiterin Manuela Wenger bequem zur nächsten Station nach Garmisch-Partenkirchen.

Mit Kopf und Bauchgefühl

«Möget er no?», fragt Marco «Büxi» Büchel gutgelaunt an der Talstation der Kreuzeckbahn in Garmisch-Partenkirchen. Um anzufügen: «Ihr habt die Wanderung gestern beim Kernen-S abgebrochen. Das passt – weiter ist Bruno Kernen am Lauberhorn ja auch nie gekommen!» Büxis Spruch sorgt für schallendes Gelächter. Der begnadete Entertainer ist in seinem Element.

Der wegkundige Bergführer Robert Krinninger und der sympathische Liechtensteiner führen uns sicher über die historische Kandahar-Strecke, WM-Piste von 1978 und 2011. Wir passieren Schlüsselstellen wie Tröglhang, Himmelreich, Eishang und Hölle. Marco Büchel hat auf dieser Piste 2003 den Super-G gewonnen – es war sein erster Sieg im Skiweltcup.

«Büxi» erzählt, wie es ihm gelang, während der Fahrt die Angst zu besiegen. «Pssst!» habe er seinem Kopf jeweils zugerufen, wenn sein Bauch Angst signalisierte. «Innerlich musste ich viele Kämpfe austragen.» 

Marco Büchel und Bernhard Schär
Begrüssung: Marco Büchel (Mitte) taucht auf der Kreuzalm mit den Gästen in den Mythos der Kandahar-Abfahrt ein.

Büchel vom Büchel verzückt

Still und unbemerkt hat sich Adolf Zobrist abermals von der Gruppe entfernt. Der preisgekrönte Alphorn- und Büchelbläser hat eine ideale Klangarena gefunden, um mit dem Büchel seine Eigenkomposition «Eigernordwand» zu spielen. Der andere Büchel hört fasziniert zu.

Wir wandern weiter zur sogenannten FIS-Schneise, die am 29. Januar 1994 traurige Berühmtheit erlangte:  Die zweifache Skiweltmeisterin Ulrike Maier stürzte an dieser Stelle. Die Österreicherin zog sich dabei tödliche Verletzungen zu. Marco Büchel gibt uns Einblick in die Sicherheit im Skisport. «Wir können den Berg nicht in Watte packen», sagt der 49-Jährige. Ein Restrisiko bestehe immer. «Büxi» referiert über Helme, Airbags, Sturzräume und Netze. Die Ausflügler lauschen gebannt.

Marco "Büxi" Büchel
Begnadeter Entertainer: Marco Büchel erzählt im Eishang eine Anekdote.

Besuch bei der «Königin der Streif»

Marco Büchel verabschiedet sich, liebend gerne wäre er auch nach Kitzbühel mitgekommen – unsere nächste Station. Das Hotel Rasmushof liegt im Zielgelände der Streif, der gefährlichsten Piste des Skiweltcups. Im Vier-Sterne-Haus begrüsst uns die Wirtin Signe Reisch. Auch sie ist eine Legende und wird in den lokalen Medien schon mal als «mächtigste Frau des Tiroler Winters» respektive als «Miss Kitzbühel» oder «Königin der Streif» gefeiert. Die dreifache Mutter, Präsidentin des Museums Kitzbühel Förderverein und ehemalige Präsidentin von Kitzbühel Tourismus überzeugt mit einem Werbespot: «In Kitzbühel ist das Wetter stets besser als der Wetterbericht.»

Signe Reisch, Hotel Rasmushof
In der Gamsstadt Kitzbühel: Wirtin Signe Reisch stellt das Hotel Rasmushof vor. edelline-Reisebegleiterin Manuela Wenger (rechts) lauscht gebannt.

Hans Knauss – Popstar am Berg

Hans Knauss ist die nächste Ski-Grösse, die uns begleitet. Wer mit ihm durch Kitzbühel läuft, fühlt sich an der Seite eines Popstars. Überall wird er erkannt und gegrüsst. Im Legenden-Park neben der Hahnenkammbahn entdeckt eine andere Wandergruppe den Sieger der Streif-Abfahrt 1999 und applaudiert. Der 50 Jahre alte Österreicher winkt artig zurück. Hans Knauss umgibt eine Aura, die die Leute fesselt. Er versprüht viel Charme und Schmäh und geht offen und sympathisch auf Menschen zu.

Präzisionsarbeit verrichtet Hans Knauss auch an der Talstation. Er steigt in seine «eigene» Gondel ein. Die Sieger der Hahnenkamm-Rennen werden mit einer persönlich beschrifteten Gondel ausgezeichnet. Oben am Berg geht es auf dem Förderband zum Starthaus. «So macht wandern Spass», sagt Hans Knauss und lacht.

Unsere Gäste auf dem Förderband
So macht wandern Spass: Auf dem Förderband geht’s zum Starthaus der Streif-Abfahrt in Kitzbühel.

«Da vorn wartet die Hölle!», sagt er und blickt in die Starthütte. «Du brauchst schon ein grenzenloses Selbstvertrauen, um dich da hinauszukatapultieren.» Die Abfahrer bewältigen die Strecke vom Start bis zur 160 Meter entfernten Mausefalle in 8,5 Sekunden.

Starthütte Hahnenkamm-Rennen
Furchteinflössend: Fast senkrecht hinunter katapultieren sich die Skirennfahrer, wenn sie das Starthaus der Streif verlassen.

Schwiegermutter-Trick in der Mausefalle

Bei der Mausefalle werden auf einem grossen Bildschirm spektakuläre, bisweilen schauderhafte Stürze festgehalten. Dann sorgt Adolf Zobrist am Büchel einmal mehr für Gänsehautstimmung. «Sensationell», entfährt es Hans Knauss. Eine zufällig vorbeikommende Wanderin bittet den Skistar aus dem fernen Schladming um ein Foto. «Für meine Schwiegermutter», sagt die Glückliche. Na ja, glauben wir es.

Adolf Zobrist mit Büchel
Heimatliche Klänge in der Mausefalle: Adolf Zobrist sorgt mit dem Büchel für Gänsehautstimmung.

Das Mittagessen geniessen wir auf der legendären Seidlalm, wo 1966 die Idee zum alpinen Skiweltcup geboren wurde. Das Menü «Dreierlei Knödel mit zerlassener Bauernbutter und Seidlalm-Bergkäse» ist ein Renner. Hans Knauss erzählt uns, dass er am 13. Oktober 2021, um 20.15 Uhr in ORF 2 erstmals die Sendung «Österreich vom Feinsten» als Moderator präsentiert. Die Sendereihe zeigt Österreichs aussergewöhnliche Schönheit, seine regionale Vielfalt und viel Volksmusik.

Wir erreichen den Steilhang. Für Hans Knauss ist die eisigste Passage der Streif die «grösste Mutprobe im Skiweltcup». Hier wirken extrem hohe Fliehkräfte auf die Fahrer ein. Vorbei an der Hausbergkante führt die Wanderung Richtung Zielschuss, wo die Fahrer an der schnellsten Stelle mit 140 km/h unterwegs sind. Unten ist bereits der 9-Loch-Golfplatz des Hotels Rasmushof zu erkennen, links die stilisierte Gams – das touristische Logo von Kitzbühel – und weit hinten das majestätische Massiv des Wilden Kaisers.

Hans Knauss und Manuela Wenger
Locker in die Hocke: Hans Knauss und edelline-Reisebegleiterin Manuela Wenger erteilen den Gästen Anschauungsunterricht.

Mitten in die Dolomiten

Und weiter geht’s – edelline-Chauffeur Istvan Müller fährt uns auf der Ideallinie mitten in die Dolomiten. Das Panorama am Grödner Joch ist atemberaubend. In Corvara, in der Bergwelt von Alta Badia, begrüsst uns ein zweifacher Ski-Weltmeister: Michael von Grünigen. Der begnadete Techniker aus Schönried hat hier, auf der anspruchsvollen Riesenslalom-Strecke Gran Risa, 1996 und 1998 gewonnen.

Bei der Bergstation der Kabinenbahn Piz La Ila, auf 2100 Metern, werden die Schweizer*innen von Moritz Craffonara empfangen. Der Chef des Clubs Moritzino – die wohl berühmteste Gourmet-Berghütte Südtirols – hat ein gerahmtes Bild mitgebracht. Es zeigt Michael von Grünigen auf einem Teamfoto von Swiss-Ski 1989/1990. «Da hatte ich noch volles Haar», sagt MvG und schmunzelt.

Michael von Grünigen
MvG mit vollem Haar: Moritz Craffonara zeigt Michael von Grünigen ein gerahmtes Bild.

Zuverlässigkeit in Person

Der ortskundige Bergführer Walter Frenademez, ein drahtiger Mann mit sonnengegerbter Haut und 78 Jahren Lebenserfahrung, bringt uns an den Start der Gran-Risa-Strecke. Bernhard Schär erzählt uns, dass Michael von Grünigen die Zuverlässigkeit in Person gewesen sei und untermauert diese Aussage mit einem bemerkenswerten Fakt: In 111 Weltcup-Riesenslaloms ist MvG nur dreimal (!) ausgeschieden.

Im Steilhang verrät MvG, wie er es geschafft hat, das Beste aus seinem Material herauszuholen. «Als gelernter Landmaschinenmechaniker hat mich die Entwicklung neuer Skimodelle stets interessiert. In diesem Bereich war ich ein Tüpflischisser.» Das Talent sei ihm in die Wiege gelegt worden: «Meine Eltern waren Skilehrer.» Selbstverständlich habe aber auch eine grosse Portion Fleiss dazugehört, um erfolgreich zu sein, ergänzt der 52-Jährige.

Michael von Grünigen
Schlüsselstelle: Michael von Grünigen zeigt, wie auf der Gran Risa der Riesenslalomkurs gesteckt wird.

MvG rührt Edelliner zu Tränen

Nach der Wanderung und Erfrischung im Hotel heisst es Abschied nehmen. Michael von Grünigen tritt gemeinsam mit seiner Frau Anna vor die Gruppe und sagt: «Ich möchte keine lange Rede halten, sondern euch etwas vorsingen.» Was nun folgt, rührt die Edelliner zu Tränen. MvG, der Ski-Weltmeister von 1997 und 2001, sorgt für einen bewegenden Abschluss der Wanderreise. Er verabschiedet sich mit einem Ständchen von der edelline-Wandergruppe. Im Chor singen auch unsere geschätzten Gäste Margrith Michel, Hanna Fried und Adolf Zobrist mit.

«Auf den Spuren der vier Ski-Klassiker» hiess unsere einzigartige Wanderreise, die nach fünf erlebnisreichen Tagen zu Ende ging. Wir haben unsere eigenen hinterlassen. 

Autor/Bilder: Thomas Wälti
Video: Manuela Wenger

 

 

Weitere Impressionen der Reise

Freier Fall: Mit 92 Prozent Gefälle die steilste Passage im gesamten Skiweltcup.

Bilder: Thomas Wälti

Vorheriger Bericht Nächster Bericht

Zurück zu "Blog"