«Es ist keine schlechte Idee, wenn alle im Bus eine Maske tragen»

Interview mit Immunologie-Professor Beda M. Stadler

Wie gefährlich sind Busreisen in Zeiten der Corona-Krise? Wie kann der Schutz der Passagiere erhöht werden? Was bringt desinfizierender Sprühnebel an Bord eines Reisecars? Der renommierte Immunologie-Professor Beda M. Stadler klärt auf.

Als Reiseunternehmen beschäftigen wir uns intensiv mit der Zeit nach der Coronavirus-Pandemie. Gibt es den virensicheren Bus?
Beda Stadler: Nein, so etwas gibt es nicht – ausser es sitzt niemand im Bus.

Die Halbierung des Sitzplatzangebots sowie die Einhaltung der Hygiene- und Verhaltensregeln vorausgesetzt – wie hoch ist das Risiko, sich auf einer Busreise mit dem Coronavirus anzustecken?
Gleich gross wie in jedem anderen geschlossenen Raum der gleichen Grösse. Solange kein Passagier das Coronavirus hat, ist die Sicherheit in einem Bus 99,9 Prozent, dass man das Virus von draussen nicht auflesen wird.

In Italien wird mit Blick auf den kommenden Sommer darüber diskutiert, an den Stränden zum Schutz der Badegäste mobile Plexiglasscheiben zu installieren – so wie sie in Banken und Apotheken bereits existieren. Würden sich solche Plexiglasboxen auch in einem Bus eignen?
In einem Bus, bei dem Passagiere ständig ein- und aussteigen und der nur für kurze Strecken benutzt wird, könnte eine solche Lösung vielleicht ein klein wenig helfen.

Besteht bei diesen Plexiglasboxen nicht die Gefahr der Dehydration? Wären Plastikvorhänge allenfalls die bessere Lösung?
Besser als eine solche Lösung wäre es, beim Einsteigen Schutzmasken abzugeben, die beim Aussteigen ausserhalb des Busses entsorgt würden.

Könnte man während einer Busfahrt die sogenannte Zapfluft mit einem desinfektionshaltigen Sprühnebel über ein Raumlüftungssystem reinigen?
Desinfizierender Sprühnebel ist meistens auch für den Menschen giftig und in diesem Fall gegen Viren wahrscheinlich ziemlich nutzlos. Über die Klimaanlage könnte allerdings via Erhitzen die Luft keimfrei gemacht werden. Dazu müsste man die Hersteller solcher Systeme befragen.

Sollten die Gäste an Bord eines Busses zu ihrer eigenen Sicherheit eine Hygienemaske tragen?
Beim Tragen der Schutzmasken verhält es sich wie beim Impfen. Man impft sich, um andere zu schützen und man trägt eine Maske, um andere nicht anzustecken. Da man in einem Bus vielleicht allen misstraut, ist es keine schlechte Idee, wenn alle eine Maske tragen.

Wie würden Sie den Schutz der Passagiere in einem Bus erhöhen?
Ich würde versuchen, vulnerablen Personen von der Benutzung des Busses abzuraten. Falls nur gesunde junge Menschen den Bus benutzen, tun sie das auf eigenes Risiko und brauchen keinen besonderen Schutz.

Was halten Sie von einem Label «Keimfreier Bus» oder «Gelabelt by Beda Stadler»?
Es wäre sicher keine gute Idee, ein Label anzubringen. Schliesslich schreibt auch niemand auf einen Bus, dass er 100 Prozent unfallfrei sein wird.

Wie wird sich die Reisebranche nach der Coronavirus-Krise verändern?
Da dieses Virus nur einen sehr kleinen Prozentsatz unserer Gesellschaft – die Risikopersonen – betrifft, werden wir nach der Krise wahrscheinlich rasch wieder alle den Normalzustand von früher herbeiwünschen und allenfalls etwas mehr «Social Distancing» betreiben als zu Zeiten, wo sich jeder zum Begrüssen geküsst hat.

Werden wir vermehrt Ferien in der Schweiz machen statt ins Ausland zu reisen?
Wir reisen schon heute nicht in Krisengebiete, also wird man in Zukunft in jene Länder reisen, in denen wir uns vielleicht sogar sicherer aufhalten können als in der Schweiz.

Bus, Flugzeug oder Zug – welches Transportmittel empfehlen Sie einem Reisenden, dem es nicht möglich ist, das eigene Auto zu benutzen?
Die Leute werden wahrscheinlich Transportmittel wählen, bei denen man sicher in kein Gedränge hineingerät.

Haben Gruppenreisen nach der Coronavirus-Pandemie weiterhin eine Chance?
Es wird schon bald Gruppen geben, die alle gegen das Coronavirus immun sind. Die sind für andere keine Gefahr, untereinander selbst sowieso nicht. Solche Menschen können Gruppenreisen veranstalten wie zu alten Zeiten.

Würden Sie die These unterstützen, dass sich die Abstände zwischen dem Auftreten neuer Viren in Zukunft verkleinern dürfte?
Ja. Je mehr Menschen es gibt, desto enger leben wir miteinander. Die Gefahr wird also grösser, dass man sich gegenseitig grossflächig anstecken kann.

Was lernen wir aus der jetzigen Situation bezüglich unserem Umgang mit dem nächsten Virus? Wird die Welt ebenfalls aufhören zu drehen während einer gewissen Zeit oder begegnen wir der unsichtbaren Bedrohung dann entspannter?
Solange die Politiker selber mit Angst und Panik reagieren, wird sich wahrscheinlich nicht viel ändern. Ich hoffe zumindest, dass man jetzt viel mehr in die Impfstoff-Forschung investiert als in die Vergangenheit. Hoffentlich begreifen die Menschen jetzt auch, dass wir ein Impfobligatorium brauchen, genau gleich, wie wir eine Gurtenpflicht haben und von Buschauffeuren erwarten, dass sie am Steuer nüchtern sind.

 

Zur Person: Beda M. Stadler

Beda Martin Stadler, geboren am 21. Juni 1950 in Visp, ist ein Schweizer Biologe. Der emeritierte Professor und ehemalige Direktor des Instituts für Immunologie der Universität Bern betrieb Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Allergologie und Autoimmunität und angewandte Forschung zur Herstellung von rekombinanten humanen oder künstlichen Antikörpern und Impfstoffen für die Therapie. Der renommierte Immunologe wurde durch seine pointierten Kolumnen in der NZZ am Sonntag und in der BZ Berner Zeitung einem breiten Publikum bekannt.

Beda M. Stadler ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Der gebürtige Oberwalliser geniesst seine Pension wieder in seiner Heimat.

Autor: Thomas Wälti / Bild: ZVG

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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