«Meinen Rennski habe ich nie mit ins Bett genommen»
Interview mit Michael von Grünigen
Michael von Grünigen hat die edelline-Wandergruppe im Sommer über die Gran Risa geführt. Der zweimalige Sieger des Riesenslalom-Klassikers in Alta Badia spricht über seine Gedanken im Starthaus, den Unterschied zwischen Techniker und Speed-Spezialisten und die richtige Skiwahl.
Du hast 1996 und 1998 auf der anspruchsvollen Riesenslalom-Strecke Gran Risa gewonnen. Mit welchen Gefühlen kehrst Du nach Alta Badia zurück?
Michael von Grünigen: Es ist ein emotionales Erlebnis, nach vielen Jahren in diese landschaftlich wunderschöne Dolomitenregion zurückzukehren. Im Sommer war ich noch nie auf der Gran-Risa-Strecke; nur im Winter, wenn jeweils ein Riesenrummel herrscht. Eure Wanderung stellt für mich also eine Premiere dar. Mit Ski ist man wohl schneller im Ziel als zu Fuss (schmunzelt).
Welche Passage auf der Gran Risa hat Dich am meisten beeindruckt?
Im Vergleich zur Abfahrt fehlen im Riesenslalom heikle Stellen wie zum Beispiel Hundschopf, Hölle und Mausefalle. Nachdenklich wurde ich eingangs des Steilhangs; dort, wo Euer Gast Adolf Zobrist mit dem Büchel so wunderschön gespielt hat. In diesem langen Streckenabschnitt sind die Tore jeweils offen gesteckt, das heisst, sie können im Schwung durchfahren werden. Je nach Schneeverhältnissen entscheidet sich das Rennen in dieser Passage. Auch im Starthaus von Alta Badia sind schöne Gefühle in mir hochgekommen. Auf der Gran Risa habe ich nicht nur zwei Siege gefeiert, sondern auch dreimal den zweiten Platz belegt. Mir kam wieder mein Tunnelblick in den Sinn, mit dem ich jeweils gedankenversunken auf meinen Einsatz wartete.
Woran hast Du in diesem Moment gedacht?
Die Schwierigkeit auf der Gran Risa ist es, möglichst schnell und ohne Fehler ins Ziel zu kommen. Du gehst mit bestimmten Vorstellungen ins Startgelände. Bis zum Einsatz musst du den Fokus behalten. Es können viele Fragen auf dich einprasseln. Stimmen Tagesform und Material? Hast du gut geschlafen? Verlief das Training perfekt? All diese Faktoren dürfen dich nicht verunsichern. Du musst mit Überzeugung an den Start. Mit zunehmender Erfahrung verinnerlichte ich diese Abläufe. So konnte ich am Renntag meine gewohnte Leistung abrufen – und erfolgreich sein.
Worin unterscheiden sich Abfahrer und Riesenslalomläufer?
Wir waren nicht so bequem wie die Abfahrer und bestritten zwei Läufe (schmunzelt). Spass beiseite: In den Speed-Disziplinen braucht man aufgrund der Wetterbedingungen vor allem einen schnellen Ski, das heisst, eine perfekt präparierte Belagsoberfläche. In den technischen Disziplinen beeinflusst auch die Konstruktion des Skis die Beschleunigung aus den Kurven und der Fahrer kann mehr Einfluss auf die Feinabstimmung nehmen. Spielen beim Abfahrer Geschwindigkeit, Mut und Risikobereitschaft eine entscheidende Rolle, kämpft sich der Riesenslalomfahrer mit Beschleunigungskräften durch die Tore. Da wir zwei Läufe bestreiten, haben wir unterschiedliche Ski am Start. Die Schneebeschaffenheit kann aufgrund steigender Temperaturen zwischen den Läufen sehr schnell ändern. Ebenfalls von hoher Wichtigkeit, ja entscheidend ist der Umgang mit Druck, Erwartungen und Anspannung über eine längere Zeitspanne zwischen den Läufen.
Was wolltest Du unseren Gästen auf der Wanderung vermitteln?
Ich wollte Euren Gästen mit Hintergrundgeschichten ein anderes Bild vom Skirennsport vermitteln als sie jeweils im Fernsehen mitbekommen. Und natürlich die zahlreichen Fragen beantworten. Ich habe in Alta Badia eine sehr fachkundige Wandergruppe kennengelernt.
Du hast unterwegs zahlreiche Anekdoten zum Besten gegeben. Erzähle den Daheimgebliebenen doch eine kurze Geschichte.
Eben hat mich Bernhard Schär gefragt, ob ich am Renntag im Starthaus jeweils auch an meine Frau Anna dachte. Ich möchte so antworten: Nicht direkt, aber an ihre Ratschläge. Bei uns war es jeweils so: Am Vorabend des Rennens sprach ich mit Anna über meine Gefühle. Ich teilte ihr mit, ob es am Renntag passt oder ob ich unsicher bin. Sie hat mich entsprechend motiviert und mir Tipps gegeben. Am Renntag selbst konnte meine Frau mit mir nicht viel anfangen.
Bernhard Schär erzählte die Anekdote, dass die Stahlkufen für Bobfahrer ein Heiligtum seien. Es soll vorkommen, dass Athleten ihre Kufen mit ins Hotelzimmer nehmen, damit die Legierung ihrer Kufen nicht kopiert werden kann. Hast Du Deine Rennski jemals unter Dein Hotelbett gelegt?
Nein, meinen Rennski habe ich nie mit ins Bett genommen. Aber klar: Mein Servicemann hat meinen Rennski lieber in sein Hotelzimmer gestellt als ihn im Skiraum stehen zu lassen. Er wollte kein Risiko eingehen.
«Wir schaffen Begegnungen mit Insidern, bringen Menschen zusammen und werfen einen Blick hinter die Kulissen von Gesellschaft, Kultur und Sport» ist unsere Corporate Identity. Findest Du unsere Wanderreise «Auf den Spuren der vier Ski-Klassiker» zeitgemäss?
Ja, auf jeden Fall. Diese Reise ist aber nicht nur für skisportbegeisterte Menschen, die in der Mitte des Lebens stehen, einzigartig und eine Bereicherung. Diese Reise eignet sich auch hervorragend, um ein jüngeres Publikum zu gewinnen.
Interview/Bild: Thomas Wälti
Reise-Reportage: «Auf den Spuren der vier Ski-Klassiker»
Wir haben die Highlights der Wanderreise in einem spannenden Blog-Beitrag aufgezeichnet.