Perlen des Ostens - Tag 5
Reise nach Litauen zu den Wanderdünen
Heute bin ich vor der Reise nach Klaipeda ganz aufgeregt. Wir besuchen eine grenzüberschreitende Unesco-Welterbestätte: Die Kurische Nehrung. Der wunderschöne Damm, der das heutige Kurische Haff von der Baltischen See abtrennt, ist ein überwältigendes Naturschauspiel. Über eine Länge von 98 Kilometern erstreckt sich der schmale, sandige Küstensaum vom russischen Lesnoi bis ins litauische Klaipeda.
Seit 1945 beansprucht Litauen die nördlichen 52 Kilometer, die südlichen 46 Kilometer gehören zur russischen Exklave Kaliningrad. An der breitesten Stelle ist der Damm 3,8 Kilometer breit, an der schmalsten nur 380 Meter. Auf der Kurischen Nehrung leben 3350 Menschen in sieben Dörfern – drei liegen in Russland, vier in Litauen. Nida (Nidden) ist das allerschönste. Mehr davon später.
Zu UdSSR-Zeiten lebten die Bewohner der Kurischen Nehrung vom Fischfang und Forstbetrieb. Heute ist der Tourismus grösster Wirtschaftsfaktor. Allerdings: Während das Geld der Touristinnen und Touristen auf russischer Seite in die Zentrale nach Moskau abfliesst, unterstützen und motivieren im EU-Land Litauen die Kommunen das Unternehmertum. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat sich der baltische Staat zielstrebig nach Westen orientiert.
Auf der Höhe Epha, benannt nach einem Düneninspektor, steigen wir aus dem Edelliner und spazieren an den Strand der Baltischen See. Der Wind, das schäumende Meer und die Wolkenbilder verzaubern uns.
Stägeli ab zur Baltischen See: Die edelline Gäste geniessen den atemberaubenden Blick auf das schäumende Meer.
Parnidis-Düne heisst die höchste Erhebung der Kurischen Nehrung. Sie ist 60 Meter hoch – aber bereitet Sorgen. Der Wind treibt den Sand unaufhaltsam ins Haff. Es heisst, dass die Wanderdüne im vergangenen Vierteljahrhundert zehn Meter geschrumpft sei.
Ein grossartiger Aussichtspunkt ist der «Schwanensee». Wir geniessen das Panorama über das Kurische Haff – eine Süsswasserlagune – bis hin zur Baltischen See. Der Blick auf eine der grössten Wanderdünen Europas ist atemberaubend.
Schwanensee: Blick vom schönsten Aussichtspunkt der Kurischen Nehrung auf das Kurische Haff.
Im russisch-litauischen Grenzgebiet verabschieden wir unseren klugen Reiseleiter Andrey auf romantische Art und Weise: Wir offerieren ihm vor dem Edelliner einen Becher Bier. «Na Sdarowje» (Prost) und «Spassiba» (Danke)!
An der Grenze werden wir bestohlen – uns wir eine Stunde weggenommen. Die Zeitverschiebung zwischen Russland und Litauen beträgt 60 Minuten.
Das verträumte Fischerdorf Nida ist die grösste Ortschaft auf dem Damm. Nida wurde auch mit EU-Geldern schön herausgeputzt. Beim Bummeln auf der Promenade springen die liebevoll hergestellten Wetterfahnen auf hohen Masten, die für diese Region typischen Holzhäuser mit Reetdach sowie die malerischen Blumengärten ins Auge.
Liebliche Szenerie: Buschrosen verzieren das Gelände vor den typischen Häuschen in der Kurischen Nehrung.
Das berühmteste dieser Häuser ist das Sommerhaus von Thomas Mann auf dem «Schwiegermutterberg». Der deutsche Schriftsteller verbrachte hier drei Sommer (1930-1932) mit seiner Familie und liess sich vom grandiosen Ausblick inspirieren. Im Prospekt über die Neringa-Museen ist zu lesen: «Seit 2014 wird im Museum eine neue Ausstellung präsentiert. Dank moderner Technologien gibt sie nicht nur einen Einblick in das Leben und Schaffen des Nobelpreisträgers, sondern gibt poetisch die Atmosphäre der Tage, die Thomas Mann hier verbracht hat, wieder.»
Im Bistro des Edelliners sind alle 16 Plätze besetzt. Unsere charmante Reisebegleiterin Annagret serviert Kaffee und Kuchen. Angeregt diskutieren wir über den faszinierenden Tag in der Natur. In Klaipeda steigen wir aus. Wir sind zurück in der Realität. Vor unserem Hotel steht ein Reisebus mit Chinesen.
Autor: Thomas Wälti